Etwas aufgeregt starteten wir gemeinsam mit Marleen und Herke in Richtung Bolivien. Über die Lagunenroute wollten wir in die Salar de Uyuni fahren. Die Route ist berühmt für die extreme Höhe von durchgehend über 4.000 m, die Offroad Strecken, deren Zustand man erst vor Ort wirklich kennt und natürlich die Lagunen, die dank der enthaltenen Mineralien in vielen verschiedenen Farben schimmern. An der chilenischen Grenzkontrolle erfuhren wir, dass die organisierten Touren mit denen Touristen die Strecke ebenfalls in drei Tagen in Geländewagen zurücklegen, an diesem Tag etwas später aufgebrochen sind, aufgrund der schlechten Strassenverhältnisse und Schnee. Das steigerte unsere Nervosität noch etwas, aber wir waren auch voller Vorfreude auf dieses neue Kapitel unserer Reise.

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Die Einreise nach Bolivien verlief dann erstaunlich einfach. Sogar in ihrer Mittagspause waren die beiden Grenzer bereit, uns ein Visum für 90 Tage in den Pass einzustempeln (manchmal bekommt man angeblich zunächst nur 30 Tage). Wir wurden bereits an der Grenzstation mit den harten klimatischen Bedingungen konfrontiert, die das bolivianische Altiplano für uns bereithielt. Wind, der einen fast umwarf, Kälte und trockene, dünne Luft in der Höhe. Wir passierten die Laguna Blanca und die Lagune Verde und legten wetterbedingt nur kurze Fotostops ein. Auf abenteuerlichen Wegen, die keine waren sondern vielmehr querfeldein auf Sand, Steinen oder Felsen (Schnee war zum Glück doch nicht dabei) ging es weiter durch beeindruckende Landschaften in dieser lebensfeindlichen Umgebung. Die offiziellen „Wege“ waren in einem so desolaten Zustand, dass wir tatsächlich 90 Prozent der Strecke abseits dieser in der Karte eingezeichneten Verbindungen zurücklegten. Wir waren wirklich froh, dass wir die Tour nicht alleine absolvierten, sondern dass wir uns im Fall der Fälle gegenseitig helfen konnten und natürlich auch um die vielen Eindrücke und Erlebnisse miteinander zu teilen.

Unsere erste Nacht verbrachten wir dann an der Laguna Chalviri, die uns einen etwas windgeschützteren Platz bot. Unser Abendessen fand bereits um 16:30 Uhr statt, damit wir die letzten Sonnenstrahlen zum Wärmen nutzen konnten. Anschließend quetschten wir uns alle vier in Herkes und Marleens Pathfinder zum gemütlichen Kinoabend. Die Nacht auf 4.400 m Höhe wurde dann herausfordernd, obwohl wir tatsächlich ein paar Stunden gar nicht so schlecht geschlafen haben. Die Höhe und der Wind, der an unserem Hubdach zerrte machten uns wohl am meisten zu schaffen. Die eisigen Temperaturen deutlich im Minusbereich überlebten wir dank Skiunterwäsche, Mütze, dicken Socken, Fleece-Schlafsack-Inlays, dicken Schlafsäcken und instant Handwärmern erstaunlich gut. Unser Wasser und Olivenöl waren am nächsten Morgen allerdings gefroren, unser Diesel dank Additiv zum Glück nicht. Der Blick auf den Sonnenaufgang über der gefrorenen Lagune entschädigte uns allerdings für alle Strapazen der Nacht.

Am folgenden Tag mussten wir zunächst die Zollformalitäten erledigen, die Station hierfür befindet sich auf über 5.000 m und ein überaus freundlicher und hilfsbereiter Zollbeamter fertigte zügig die erforderlichen Dokumente für unsere Autos aus. Wir waren begeistert. Ebenso von der Laguna Colorada mit ihrer roten Farbe und den unzähligen Flamingos auf ihrer Oberfläche, die wir anschließend besuchten. Die Kilometer auf den unwirtlichen Untergründen strapazierten unsere Nerven, besonders nach der mittelmäßigen Nacht. Für die zweite Nacht quartierten wir uns daher in einem der wenigen Hotels des Altiplanos ein uns genossen ein warmes Bett und eine warme Dusche und ein Abendessen (3-Gänge!!!) zu normalen Zeiten in vollen Zügen. Nur die Höhe von 4.600 m machte uns nachts dann doch etwas zu schaffen. Kopfschmerzen und leichte Atemnot brachten uns trotz all des Komforts eine unruhige Nacht, aber wenigstens war es warm und windstill.

Der dritte Tag auf der Lagunenroute war für uns alle wohl der Schönste aber auch der abenteuerlichste. Etwas weniger Wind machten eine gemütliche Kaffeepause am Rande einer Lagune sowie etwas ausgedehntere Fotostops möglich. Die Strecke wurde bergiger, noch immer fuhren wir aber durch die völlige Wildnis und waren stets auf der Suche nach dem jeweils besten Untergrund mit möglichst wenig spitzen Steinen (nahezu unmöglich). Die Reifen hielten dennoch erstaunlichweise bei beiden Autos, allerdings gab es am dritten Tag trotzdem den zuvor erwähnten „Fall der Fälle“. Ein Fluss kreuzte unseren Weg, der nach kurzer Inspektion sehr tief erschien. Wir entschieden uns daher für einen Weg über einige Grasinseln mit kleineren Flüssen dazwischen. Herke sollte den Pathfinder als erstes durch das Hindernis manövrieren, da es für Dulli im Zweifel einfacher ist ihn zu bergen als andersherum. Nach wenigen Metern sackte der Nissan dann allerdings tief in einen der kleinen Flussläufe ein, zwei Reifen hingen in der Luft und nichts ging mehr. Nach dem ersten Schreck wurde der Dulli gewendet, das Bergeseil montiert und nach ein paar Anläufen konnten wir Herke rückwärts aus dem Matsch befreien. Puh! Aber was nun? Der Fluss war immer noch da und noch immer zu überwinden. Nach ein paar Minuten kam zum Glück einer der Tour-Geländewagen vorbei und fuhr ganz entspannt durch das tiefe Flussbett, welches sich dann doch als nicht all zu tief erwies. Neuen Mutes wagten wir die Durchfahrt und völlig problemlos erreichten wir schließlich die andere Seite. Wir waren alle erleichtert.

Wir legten die letzten Kilometer von den insgesamt 250 km bis zur nächsten asphaltierten Straße zurück. Auf der Lagunenroute erreichten wir insgesamt eine Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 20 km/h, mal mit mal ohne Untersetzung, aber immer entlang schneebedeckter Berge, Lagunen und Steinfeldern. In einem dieser Steinfelder verbrachten wir unsere letzte Nacht auf über 4.000 m. Auf 4.100 m hatten wir allerdings schon das Gefühl, mal wieder so richtig durchatmen zu können. Gegen die abendliche Kälte gab es ein tolles Lagerfeuer und während wir alle ganz zufrieden ins Feuer blickten und über die aufregenden Erlebnisse der letzten Tage sinnierten, wurden wir Zeuge eines weiteren Natur-Spektakels: ein Meteorit rauschte am stockdunklen Himmel in Richtung Erde und zog einen grünlichen Schweif hinter sich her. Wir haben zugegebenermaßen am folgenden Tag entsprechende Bilder gegooglet und konnten so unsere erste Vermutung, dass es sich um einen Meteoriten handelt bestätigen. Genial, was so ein stockdunkler Himmel ermöglicht!

Wir erreichten schließlich Uyuni und kamen so zum ersten Mal in Kontakt mit bolivianischer Zivilisation. Die bolivianische Bevölkerung präsentierte sich uns absolut erwartungsgemäß mit dunklerer Haut, die Damen häufig in traditioneller Kleidung bestehend aus mehreren langen Röcken, Wollsocken, Strickjacken bzw. Ponchos und Hüten und die Herren häufig mit den Backentaschen voller Coca- Blätter. Die Verständigung war einfacher als in Argentinien und Chile, das bolivianische Spanisch ist viel weniger akzentbehaftet. Nach all der Begeisterung für die Natur kam nun allerdings auch der Kulturschock. Viel Müll an den Straßenrändern, Hunde die in selbigem wühlen, eine äußerst unattraktive Stadt und alle Hostels, die wir ansteuerten, erwiesen sich als nicht annehmbar (Campingplätze sind außerhalb von Argentinien und Chile rar). Zudem verzeichneten wir unseren ersten erfolglosen Versuch an bezahlbaren Diesel zu kommen. Das „Problem“ mit den Tankstellen ist, dass Ausländer normalerweise einen Preis für Kraftstoff zahlen müssen, der mehr als das doppelte des lokalen Preises beträgt. Zudem müssen die Tankstellen einigen Papierkram erledigen, wenn sie an Ausländer verkaufen. Darauf haben viele keine Lust und so ist die gängige Praxis, dass man einen Preis verhandelt, der ungefähr in der Mitte der beiden Preise liegt und die Differenz zu dem lokalen Preis höchstwahrscheinlich in der Tasche des Tankwarts landet. Hierfür muss man nur außerhalb der Kameras der Tankstellen parken oder die Tankstelle gleich mit Kanistern aufsuchen. Einfach ranfahren und volltanken hat sich also erst mal erledigt. Willkommen in dieser ganz anderen Welt!

Am nächsten Tag waren wir etwas erfolgreicher bei der Beschaffung von Diesel und auch eine Markthalle mit einem sensationellen Angebot an günstigem Obst und Gemüse fanden wir. Auf den zweiten Blick war Uyuni also gar nicht so schlecht und auch schicke neue Wollsocken gab es gegen die Kälte in der Nacht. Anschließend fuhren wir auf die Salar de Uyuni, die größte Salzpfanne der Welt (12.000 qkm). Zur Trockenzeit lässt sich die Salar problemlos befahren, wenn man das Salz in allen Ritzen des Autos hinnimmt. Aber das Erlebnis über diese riesige, flache Ebene zu fahren, wobei einem jegliches Gefühl für Geschwindigkeit und Entfernung fehlt, ist es auf jeden Fall wert. Man kann theoretisch einen Ziegelstein auf das Gaspedal legen und nebenbei Kaffee kochen… 🙂

Denn auch wenn wir schon unzählige Bilder von der Salar gesehen haben, ist es einfach unglaublich, dass alles um einen herum weiß ist, soweit das Auge reicht. Überall kann man einfach anhalten und sein Lager aufschlagen, ein komisches Gefühl wenn kein Busch, kein Stein und kein Berg einem Wind- oder Sichtschutz bietet. Allerdings trifft man auf äußerst wenige Autos und auch Wind weht auf der Ebene kaum. Wir verbrachten zwei Nächte mitten auf der Salzpfanne und feierten hier auch Herkes Geburtstag. Weil uns das ganze Weiß mit der grellen Sonne so sehr an den Skiurlaub erinnerte, wurde die Geburtstagsfeier kurzerhand zur Apresski- Party mit DJ Ötzi und Co, Apfelpüfferchen von Dr. Oetker und Spielen (Frisbee, Bumerang, Hammerwurf und Schrauben-Versenken fielen hier zugegebenermaßen etwas aus dem Rahmen). Nebenbei wurden natürlich jede Menge lustige Fotos mit der unwirklichen Perspektive geschossen. Mit Sicherheit ein unvergesslicher Geburtstag. Wir alle sind nach den letzten Tagen etwas erschöpft, die vielen Eindrücke und Abenteuer und die kalten Nächte haben uns auf jeden Fall neben all der Begeisterung auch sehr angestrengt. Wir freuen uns auf ein paar entspannte, wärmere Tage, die uns hoffentlich in Sucre, der Hauptstadt Boliviens erwarten. Dorthin wollen wir morgen aufbrechen.


Unterkünfte

Ort: An der Laguna Chalviri
Art: Freies Camping
Preis: kostenlos
Annehmlichkeiten: keine
Sonstiges: wunderschöner Ausblick, auf 4.400 m, nachts sehr kalt, warme Quellen in der Nähe
Koordinaten: -22.52113, -67.64555

Ort: Auf der Lagunenroute
Art: Hotel
Preis: 150 USD für ein DZ mit eigenem Bad und Frühstück
Annehmlichkeiten: warme Duschen (tagsüber), Heizung, Wifi, Restaurant mit sehr gutem Essen, Strom bis 22 Uhr
Sonstiges: sehr entlegenes Hotel, überteuert, in der Lage allerdings verständlich und die Heizung und die warme Dusche sind ein Segen, auf 4.600 m
Koordinaten: -21.84391, -68.03896

Ort: Westlich Villa Alota
Art: freies Camping
Preis: kostenlos
Annehmlichkeiten: keine
Sonstiges: wundervoller Campingspot inmitten bizarrer Steinformationen, auf 4.100 m, nicht viel Wind bzw. ggf. Windschutz hinter den hohen Steinen
Koordinaten: -21.39153, -67.71923

Ort: Colchani
Art: Camping vor einem Hotel
Preis: kostenlos
Annehmlichkeiten: Toiletten, Restaurant mit gutem Essen, Wifi
Sonstiges: sehr hübsches Salz-Hotel mit sehr nettem Besitzer, auf 3.700 m
Koordinaten: -20.184204, -66.582079

Ort: Auf der Salar de Uyuni
Art: freies Camping
Preis: kostenlos
Annehmlichkeiten: keine
Sonstiges: mitten auf der Salzpfanne, auf 3.700 m
Koordinaten: -20.27547, -67.38136

Ort: Auf der Salar de Uyuni
Art: freies Camping
Preis: kostenlos
Annehmlichkeiten: keine
Sonstiges: mitten auf der Salzpfanne, auf 3.700 m
Koordinaten: -20.26245, -67.62264

5 Gedanken zu “Hoch, Höher, Bolivien

  1. … und wieder so ein toller Bericht mit atemberaubenden Bildern. Man sieht euch den Spaß direkt an.
    Wir wünschen euch weitere tolle Abenteuer und allzeit gute Fahrt.

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  2. Wie immer spannende Berichte und tolle Bilder. Wenn man etwas außergewöhnliches
    erleben will, muss man reisen, bin auch
    schon einige Zeit auf Tour wo auch nicht immer alles am schnürchen läuft. Nur so weiter freue mich schon auf den nächsten Bericht LG. Heinz

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  3. Hallo Heinz, vielen Dank für den wie immer netten Kommentar und all die unerwartetem Erlebnisse gehören eben zum Reisen dazu!! Wo bist du denn momentan unterwegs? Viele Grüße aus Bolivien

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