Von Uyuni ging es ohne weiteren Stopp nach Sucre. Wir sehnten uns einfach zu sehr nach Wärme und der Wetterbericht für die Hauptstadt Boliviens sah vielversprechend aus. Zudem sollte es einen guten Campingplatz geben und, wie bereits erwähnt, ist das in Bolivien nicht mehr selbstverständlich. Die Fahrt war lang, landschaftlich aber sehr reizvoll, wenn auch die Fahrweise der Bolivianer äußerst gewöhnungsbedürftig ist. Riskante Überholmanöver sind an der Tagesordnung und jeder fährt rücksichtslos dicht auf, schneidet und bringt sich und andere regelmäßig in Gefahr. Wir kamen zum Glück alle unfallfrei am Ziel an und bestaunten das wunderhübsche, gepflegte Sucre mit seiner reizvollen kolonialen Architektur. Wir teilten den kleinen Campingplatz mit Franzosen, Schweizern, Deutschen und unseren holländischen Freunden und quartierten uns für ein paar Tage ein. Wir wollten einfach mal einige Tage nicht abbauen müssen, ein paar Sachen erledigen und den Luxus genießen, alles zu Fuß erreichen zu können. Sucre ist für uns die bisher schönste Stadt in Lateinamerika und seit Langem hatte es uns eine städtische Umgebung mal wieder so richtig angetan. Die riesigen, bunten Märkte haben neben Obst, Gemüse, ungekühltem Fleisch und Milchprodukten auch Drogerieprodukte, Blumen, Kleidung und Haushaltswaren im Angebot und ersetzen so einen kompletten Supermarkt. Die Preise lagen erstmals auf unsere Reise deutlich unterhalb des deutschen Niveaus.

Karte

Im Laufe der fünf Tage, die wir auf dem Campingplatz verbrachten wurde es voller und voller, immer mehr Overlander kamen nach der Lagunenroute in Sucre an und am Ende blieb kaum noch Platz, um einen Stuhl aufzustellen und die zwei Bäder wurden von 16 Leuten benutzt. Für unseren Geschmack war das schon etwas zu viel. Als dann Marleen und Herke allerdings mit ihrem Auto in die Werkstatt wollten und für die Ausfahrt zwei Autos bewegt werden mussten, waren die Reisenden zwar völlig entspannt und einverstanden, die Besitzer des Platzes wurden aber ausfällig und erklärten, „wenn sie jetzt fahren, dann brauchen sie auch nicht mehr wiederzukommen“. Das sei alles zu aufwendig. Wir waren geschockt. Noch nie konnten wir einen Campingplatz nicht für Erledigungen verlassen und noch nie wurden wir dann quasi rausgeschmissen. Und das als zu dem Zeitpunkt platzälteste Gäste… 🙂 Kurzentschlossen packten wir alle vier unsere Sachen zusammen und zogen nach nebenan in ein Hostel, in dem wir für den gleichen Preis sogar mit eigenem Bad im Innenhof campen konnten.

Wir hatten nach weiteren zwei Tagen eigentlich alles erledigt und unsere Autos endlich wieder reisefertig gemacht, da erwartete uns ein weiterer Schreck. Am regionalen Feiertag mit „grande fiesta“, d.h. vor allem Paraden und Umzügen in der gesamten Innenstadt von Sucre, brachen Marleen und Herke noch ein letztes Mal mit ihrem Auto auf, um ihre neuen Reifen abzuholen. Auf dem Rückweg war die Stadt bereits so verstopft, dass kein Durchkommen mehr zum Hostel war. Notgedrungen ließen sie ihr Auto also einen Block entfernt stehen. Eine Stunde später war die Parade vorbeigezogen, die beiden wollten ihr Auto abholen und fanden eine eingeschlagene Fensterscheibe vor. Zum Glück wurden nur drei leere Rucksäcke gestohlen, aber der Schreck saß trotzdem bei uns allen tief. Das Nervigste an dem Einbruch war allerdings, dass die beiden nun wieder zu einer Werkstatt fahren mussten, um das Fenster ersetzen zu lassen. Ein mehrstündiger Aufenthalt bei der Polizei führte erwartungsgemäß zu nichts und kostete wiederum nur Zeit und Nerven. Willkommen im „echten“ Lateinamerika. Das wir dort nun wirklich angekommen waren bewiesen zudem Magenverstimmungen bei Marleen und mir, die wir uns während der Tage in Sucre zuzogen. Das sind dann eben die negativen und äußerst strapaziösen Seiten so einer Reise.

Nach fast einem Monat gemeinsamer Reise verabschiedeten wir uns schließlich von Marleen und Herke. Wir wollten weiter in den Norden nach Cochabamba und die beiden planten die Gegend um Sucre noch weiter zu erkunden. Auf der Fahrt nach Cochabamba wurden wir unangenehm daran erinnert, warum wir uns erst mal nicht mehr zu weit in abgelegene Gegenden vorwagen wollten. Dulli verfiel zwischen 70 und 80 km/h leider inzwischen in so heftige Vibrationen, dass das Fahren extrem anstrengend, nervenaufreibend und auch gefährlich wurde. In Sucre hatten wir bereits die Reifen wuchten lassen, aber wie nun klar wurde, ohne Verbesserung. In Cochabamba machten wir uns also auf die Suche nach einem Mechaniker. Ein Hotelmanager war uns hierbei eine große Hilfe. Nicht nur, dass er uns zunächst kostenlos den Dulli auf seinem Grundstück parken ließ (in unserem Hotel reichte die Durchfahrtshöhe nicht), er empfahl uns auch einen Mechaniker und kündigte uns dort an. Der Mechaniker unternahm eine Probefahrt und verkündete zuversichtlich, das Problem am gleichen Tag beheben zu können. Da es Landrover fast in ganz Südamerika nicht gibt, ist das Beschaffen von Ersatzteilen allerdings immer ein größeres Problem. Das wurde dann auch unserem Mechaniker bewusst und als wir am späten Nachmittag wieder in der Werkstatt ankamen, war Dulli alles andere als fertig. Die Lenkung war demontiert und zwei ahnungslos wirkende Mechaniker lagen unter dem Auto. Von dem Chef war nichts zu sehen. Wir erfuhren dann nur, dass es heute nichts mehr wird und wir morgen wiederkommen sollten. Etwas mulmig war uns dabei, unseren Dulli über Nacht in der Werkstatt, die nicht mehr als ein Hinterhof voller Schrottautos war, stehen zu lassen. Aber wir hatten keine Wahl. Am nächsten Tag erklärte sich dann allerdings die Abwesenheit des Chefs. Er war am Vortag allen Ernstes insgesamt 1.000 km hin und zurück nach Santa Cruz gefahren, um passende Ersatzteile zu besorgen. So konnte die Lenkung am nächsten Tag erfolgreich repariert werden und nachdem wiederum am nächsten Tag noch die Spur neu eingestellt wurde, war der Dulli endlich wieder fahrbereit. Am Ende hat uns das Ganze drei Hotelübernachtungen, Nerven und einiges an Geld gekostet. Aber das ist alles halb so wild, Hauptsache das Auto ist wieder in Ordnung. Und nach 24.000 km auf strapaziösen Straßen in Südamerika war es immerhin erst der erste Werkstattaufenthalt.

Während Dulli in der Werkstatt ausharrte hatten wir etwas Zeit Cochabamba zu erkunden. Die viertgrößte Stadt Boliviens ist ein Bild der Gegensätze. Auf der einen Seite fanden wir den wohl größten, vollsten und buntesten Markt, den wir bisher gesehen haben – Lateinamerika pur. Auf der anderen Seite erkundeten wir schicke Viertel mit Villen und Boutiquen, die einen völlig vergessen lassen, dass man mitten in Bolivien ist. Noch extremer werden einem die Gegensätze in diesem Land bewusst, wenn eine ganze Familie in einem kleinen Park neben einer Hauptstraße Cochabambas ihren Waschtag veranstaltet, Berge von Kleidung werden hierbei in einem kleinen Graben gewaschen und anschließend über sämtlichen umgebenden Zäunen getrocknet, während auf der anderen Seite der Straße die großen Geländewagen in die Garagen der modernen Apartmenthäuser fahren. Trotz dieser großen Schere, oder vielleicht auch gerade deswegen, toppt die Gastfreundschaft der Bolivianer noch einmal alle bisherigen Erfahrungen und entgegen der Warnung vieler Reisender, dass die Bolivianer keine Touristen mögen, schlagen uns hier überall unglaubliche Sympathien entgegen. Natürlich fallen wir noch mehr auf als in Argentinien und Chile und ausnahmslos jeder ist begeistert von Dulli und unserer Reise. Wir bekommen überall Hilfe, teilweise ungefragt mitten auf der Straße und viele können irgendwelche entfernten Verbindungen nach Deutschland aufweisen. Insgesamt hatten wir wenig Erwartungen an das ärmste Land Südamerikas, die Zeit bisher präsentierte uns allerdings ein buntes, freundliches Land, das mit Sicherheit große Probleme hat, deren Menschen aber nicht missmutig wirken. Die Einkaufsmöglichkeiten sind zum Teil besser als zum Beispiel in Argentinien, die Städte sauberer und gepflegter und auch andere Dinge wie Geldbeschaffung klappen völlig reibungslos. Das Beste an dem Land ist aber ohne Zweifel die sagenhafte Natur.

Ein weiteres landschaftliches Highlight besuchten wir südlich von Cochabamba: den Torotoro Nationalpark. Zunächst hieß es aber volltanken für die mehrstündige Fahrt durch das Nirgendwo. Und das ist in Bolivien wirklich nicht mehr mal eben schnell gemacht. Oft gibt es gar keinen Diesel und wenn, dann wird dieser häufig nicht an Ausländer verkauft. Leider zum Teil auch, wenn man lediglich versucht Kanister aufzufüllen. Wir waren schon leicht verzweifelt und fragten einige Bolivianer, ob sie unsere Kanister befüllen könnten. Irgendwann hatten wir Glück und eine junge Bolivianerin mit ihrem Vater erklärte sich bereit, ihren Ausweis für unsere Tankfüllung herzugeben. Sie regte sich tierisch darüber auf, dass man uns als Touristen das Leben so schwer macht und ging sogar kurzerhand zum Copy Shop, um ihren und den Ausweis ihres Vaters zu kopieren, damit wir zumindest unsere Kanister vollständig füllen konnten. Ohne Kopie hätten wir wiederum nur 10 Liter bekommen. Wir waren den beiden so dankbar! Die Tour zum Park war dann beschwerlich mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25 km/h, aber landschaftlich spektakulär. Endlich in Torotoro angekommen, erwartete uns dann der nächste Schreck: Dulli verlor Diesel. Also gondelten wir bereits in der Dämmerung quer durch das kleine Dorf auf der Suche nach einem Mechaniker. Einen einzigen konnten wir auftreiben, der sich dann auch gleich unter das Auto legte und die defekte Tankbelüftung notdürftig reparierte. Wie sich herausstellte, waren seine Bemühungen jedoch nicht wirklich erfolgreich, aber zum Glück ist Malte während der Reise schon zum Busch-Mechaniker geworden und konnte schließlich das Problem mit einem Schlauch und ein paar Kabelbindern provisorisch beheben.

Der Park entschädigte uns für alle Strapazen und wir unternahmen zwei Touren, jeweils mit einem Guide nur für uns. Den Park kann man nur mit einem Führer besuchen und entgegen aller Befürchtungen war das richtig toll. Die jungen Guides sind voll motiviert bei der Sache und können eine Menge über die Natur und die Gegend erzählen und sogar ein paar Worte Quechua (die Sprache der größten indigenen Bevölkerungsgruppe) brachten sie uns bei. Am ersten Tag besichtigten wir 65 Millionen Jahre alte Fußabdrücke von verschiedenen Dinosaurier Arten und stiegen in einen Canyon hinab, um in dem glasklaren und eiskalten Wasserfall am Fuße des Canyons zu baden. Am folgenden Tag fuhr unser Guide mit uns auf 3.700 m und wanderte mit uns entlang an spektakulären Felsformationen und durch Gesteinskatedralen. Die Ausblicke waren wiederum einzigartig und wir freuten uns, dass es auch nach acht Monaten auf Reisen immer noch völlig neue Landschaften zu entdecken gab.


Unterkünfte

Ort: Sucre
Art: Campingplatz
Preis: 100 Bol
Annehmlichkeiten: warme Duschen, WLAN
Sonstiges: kleiner, familiär geführter Platz mitten in Sucre, die Innenstadt ist 10 min zu Fuß entfernt, etwas laut in der Nacht, leider wird der Platz von den Besitzern stark überfüllt, so dass am Ende kaum noch Platz vorhanden ist einen Stuhl abzustellen oder das Auto zu bewegen
Koordinaten: -19.04300, -65.25505

Ort: Sucre
Art: Camping vor einem Hostel
Preis: 110 Bol für ein Zimmer mit eigenem Bad
Annehmlichkeiten: warme Dusche, Küche, WLAN, Wäscheservice für 8 Bol/kg
Sonstiges: der bessere Deal in Sucre, ruhiger und für fast den gleichen Preis wie auf dem Campingplatz hat man sein eigenes Bad
Koordinaten: -19.04266, -65.25596

Ort: Cochabamba
Art: Hotel
Preis: 85 USD für ein DZ inkl. Frühstück
Annehmlichkeiten: Pool, Sauna, Spa
Sonstiges: kleines, ruhiges Boutique Hotel, welches sich hervorragend für etwas Erholung eignet, fußläufig zur Innenstadt
Koordinaten: -17.221407, -66.090139

Ort: Cochabamba
Art: Hotel
Preis: 440 Bol für ein DZ inkl. sehr gutem Frühstück
Annehmlichkeiten: wunderschöner, gepflegter Garten mit Schaukelstühlen und Hängematten
Sonstiges: sehr schönes, familiäres Hotel mit Aufenthaltsräumen in denen man sich wie zuhause fühlen kann, extrem freundliche Besitzer, fußläufig zur Innenstadt
Koordinaten: -17.221857, -66.085564

Ort: Torotoro
Art: Camping vor einem Hostel
Preis: 80 Bol
Annehmlichkeiten: warme Dusche, saubere Waschräume, Aufenthaltsraum
Sonstiges: wir waren die einzigen Gäste, sehr gepflegte Anlage
Koordinaten: -18.13873, -65.76065

Ort: Cochabamba
Art: Camping vor einem Hostel
Preis: 100 Bol inkl. Frühstück
Annehmlichkeiten: warme Duschen, Pool, Strom, schnelles Wifi
Sonstiges: wunderschöner Platz im Garten eines Hostels
Koordinaten: -17.35462, -66.20304

6 Gedanken zu “Buntes Bolivien – Sucre, Cochabamba und der Torotoro Nationalpark

  1. Und wieder so ein toller Bericht mit traumhaft schönen Bildern. Unsere Begeisterung ist nicht mehr in Worte zu fassen. Weiter so!

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  2. Hallo Malte,
    kein Kommentar, aber herzliche Glückwünsche zum Geburtstag ! Ich hoffe Du hast im fernen Südamerika einen schönen Tag. Für das neue Lebensjahr weiterhin einen guten Verlauf eurer Reise, noch viele schöne Erlebnisse und Eindrücke sowie das nötige Glück bei den ein oder anderen Schwierigkeiten.Liebe Grüße aus Hamburg sendet Harald

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  3. Hallo ihr beide es ist einfach super eure Reiseberichte und Fotos 8 Monate hautnah mit euch mitreisen zu können einfach super geil. Wie man so sagt, wenn man etwas erleben und etwas erzählen will, muss man reisen. Bin jetzt nach 4 Monaten wieder zu Hause angekommen. Ist auch ein super Gefühl, wieder zu Hause zu sein, dann schätzt man sein zu Hause umso mehr. Bei mir hat sich auch ein paar Mal der Fehlerteufel eingeschlichen, aber es ist immer wieder weitergegangen, da hab ich oft an euch gedacht.
    Wünsche euch beiden noch ein schönes Weiterreisen Heinz

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