Aus den kanadischen Rockies lautete unser Kurs strikt „Nord-West“ mit direktem Ziel Alaska. Viel gab es auf dem Weg zwischen dem Jasper Nationalpark und dem 49. Staat der USA ohnehin nicht, insbesondere im Verhältnis zu der Entfernung von mehr als 2.500 km. Der erste Teil der Strecke bis Fort Nelson war recht eintönig. Wälder, Wälder, Wälder und ab und zu mal ein ehemaliger Pelzhandelsposten, der heute als Versorgungsstation dient. Unsere einzige Abwechslung war das zweite Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft, das wir dieses Mal in einem Starbucks am Rande des Alaska Highways ansahen. Das dort verfügbare Wifi reichte zum Glück für einen Live-Stream aufs Notebook und wir fanden eine Ecke, in der wir uns gemütlich mit Kaffee und Sandwiches niederlassen konnten. Vor dem Spiel und während der Halbzeit gab es hier keine Schlangen vor den Toiletten und der Getränkeausgabe. Es hat eben auch Vorteile irgendwo im Nirgendwo Fußball zu schauen. Wir mussten uns nur sehr zusammenreißen bezüglich unserer Jubel- bzw. bei diesem Spiel eher nervösen Stress-Rufe. Das gelang uns so einigermaßen, nur beim wilden Gestikulieren wurden wir verwundert angesehen. Als die Spannung am Ende des Spiels kaum noch auszuhalten war und die Nachspielzeit begann, kam ein Kanadier zu uns und fragte, was wir sehen. Er gratulierte uns zum Sieg der deutschen Mannschaft, während es bei uns noch 1:1 stand. Wie sich herausstellte, war unsere Übertragung um einige Minuten verzögert und wir hofften, dass der Mann recht behalten würde. Gemeinsam sahen wir dann den sensationellen Siegtreffer und ich fiel dem bärtigen Kanadier spontan um den Hals. Er hat sich ziemlich gewundert, vielleicht wäre ich bei den Curlingweltmeisterschaften auf mehr Verständnis gestoßen.

Karte Alaska Hwy

Glücklich fuhren wir weiter, immer geradeaus auf dem heutzutage vollständig asphaltierten Alaska- Highway. Wir hielten zum Abendessen in Fort Nelson und beschlossen, danach noch einige Kilometer zu fahren. Die Landschaft wurde hier endlich etwas spannender. Die ersten Gipfel der Rockies erschienen wieder am Horizont und wir schlängelten uns durch Hügel und an Flüssen entlang. Plötzlich sah ich aus dem Augenwinkel etwas felliges, schwarzes am Straßenrand. Ein Schwarzbär – der erste außerhalb eines Nationalparks. Nun waren wir also in der echten Wildnis angekommen. In den nächsten 10 Minuten folgten vier weitere Bären, die zu dieser Tageszeit zum grasen an die Straßenränder kommen. Bei den Ausblicken über die endlosen Wälder Nord- Kanadas wunderten wir uns aber auch nicht so richtig über dieses große Bärenvorkommen.

Die Tiere wirkten hier sehr scheu, da sie wohl sehr wenig an den Menschen gewöhnt sind. Über das Verhalten der Bären haben wir während der letzten Wochen einiges erfahren, insbesondere da in jedem Nationalpark völlig andere Regeln herrschten. Im Yosemite Nationalpark kommt es zum Beispiel zu Einbrüchen in parkende Autos durch Schwarzbären, sofern sich Essen oder sonstige „duftende“ Gegenstände im Fahrzeug befinden. Dort mussten wir alles zu jeder Tages- und Nachtzeit vor den sich immer auf der Nahrungssuche befindenden Tieren in bärensichere Container einschließen. Die Bären haben dieses Verhalten erlernt, da sie in der Vergangenheit gefüttert wurden und sich viel zu sehr an die Menschen gewöhnt haben. Angeblich musste daraufhin eine ganze Bärengeneration getötet werden, da sie in dem Fall für den Menschen gefährlich werden können. Im Yellowstone Nationalpark gab es auf den Campingplätzen nur vereinzelte Bären-Container und nur Zelter mussten diese benutzen. An den Wanderparkplätzen gab es gar keine Vorkehrungen. Die Bären haben sich hier nie in der Form an den Menschen gewöhnt bzw. wurden gefüttert oder ähnliches. Im Banff Nationalpark in Kanada gab es einen Elektrozaun um den Campingplatz, um Begegnungen zwischen Grizzlies und Menschen möglichst zu vermeiden. Im Jasper Nationalpark gab es nichts von alledem und auf unsere Nachfrage wurde uns erläutert, dass die Bären dort viel scheuer und nicht an den Menschen gewöhnt seien. An unser großes Auto würde sie sich ohnehin nicht heran trauen und bei Wanderungen trägt man für den Fall der Fälle Bärenspray bei sich. Uns hat dieses Wissen sehr geholfen und etwas ruhigere Nächte beschert.

Nach einer bärenfreien Nacht irgendwo im Nirgendwo, begegneten wir am nächsten Morgen auf der weiteren Fahrt gleich wieder einem Schwarzbären und kurz darauf sogar einer ganzen Bärenfamilie mit drei kleinen Kindern. Auch die ersten Bisons tauchten am Straßenrand auf. Das nächste kleine Kaff, das wir erreichten, war Watson Lake. Nicht weiter erwähnenswert, nur der dortige „Sign Post Forest“ ist eine echte Kuriosität. Über 80.000 Ortsschilder, Kennzeichen oder sonstige Verewigungen hängen dort an unzähligen Pfählen und Bäumen mitten im Ort. Diese Tradition hat ein heimwehkranker Soldat begonnen, der ein Schild seines Heimatorts hier aufhängte. Inzwischen folgen unzählige Touristen seinem Beispiel. Auch von Dulli hängt nun ein Kennzeichen hier und er ist am Rande des Alaska Highways verewigt.

Für die nächsten 400 km bis Whitehorse, der Hauptstadt Yukons, übertraf sich unser Reiseführer mal wieder mit der Beschreibung der Ödnis. „Alles in allem nicht viel zu sehen und nur wenige Möglichkeiten für Zwischenstopps“ wurde abgelöst von einem Abschnitt „der keine Besonderheiten bietet“. Dem müssen wir insofern widersprechen, als dass wir immerhin ganz unvermittelt unseren ersten Elch am Straßenrand in einem kleinen See stehen sahen. Der fehlte noch von unserer Wunschliste der Tiersichtungen. Einen weiteren Schwarzbären sahen wir auch, langsam waren wir so verwöhnt, dass wir nicht mehr für jeden einzelnen anhielten… Wir Banausen!

Nach vier anstrengenden, langen Fahrtagen war es Zeit für eine Pause. In Whitehorse fanden wir ein charmantes Bed & Breakfast und fühlten uns bei der dänischen Besitzerin fast wie zuhause. Wir mussten unbedingt mal wieder ein wenig entspannen und die weitere Route planen. Whitehorse ist der einzige nicht völlig verschlafene Ort entlang des Alaska Highways und wir konnten während unserer Zeit dort sogar den Start des Yukon River Quest ansehen, dem größten Paddel-Rennen der Welt. Die Teilnehmer paddeln in Kajaks, Kanus und auf Stand-Up-Paddles über 700 km in 2-4 Tagen den Yukon River hinab. Das Ganze wurde von unzähligen Zuschauern vom Ufer aus bejubelt. Außerdem nutzten wir die Tage, um Dulli erst mal wieder von der dicken Schicht toter Insekten zu befreien. Von denen gibt es im hohen Norden wirklich mehr als genug. Wir haben zwischendurch mal mit der Anschaffung von Imker-Anzügen zu unserem Schutz geliebäugelt (sowas in der Art wird hier wirklich verkauft und getragen). Aus modischen Gründen haben wir uns dann aber doch weiterhin für reichlich Mückenspray entschieden.

Die restlichen Kilometer bis zur US-Grenze waren wunderschön. Entlang des größten Sees im Yukon (Kluane Lake) ging es immer weiter in die Einsamkeit. Während bis Whitehorse immerhin noch 1-2 Mal wöchentlich Busse verkehren, die neben Passagieren, Post und sonstige Lieferungen mitbringen, gibt es zwischen Whitehorse und der Grenze wirklich gar nichts mehr. Keine Post, die Lebensmittellieferung kostet unglaubliche 1.000 CAD Versandkosten (rund 650 Euro) und die Menschen pflegen einen guten Draht zu den Speditionen, deren Trucks hier regelmäßig entlang fahren. Die Fahrer bringen gelegentlich dringend benötigte Dinge mit oder auch einfach mal ein Sixpack Bier. Viele Leute besitzen kleine Flugzeuge, um in einigermaßen überschaubarer Zeit eine größere Stadt erreichen zu können. Ansonsten bleibt nur Bären, Elche und Bisons zu beobachten, den Mücken aus dem Weg zu gehen und die unglaubliche Ruhe und Einsamkeit zu genießen.


Unterkünfte:

Ort: Hythe
Art: Campingplatz
Preis: 25 CAD
Annehmlichkeiten: saubere Toiletten, warme Dusche, Wifi
Sonstiges: guter Zwischenstopp auf dem Weg zum Alaska Highway
Koordinaten: 55.33313, -119.55909

Ort: Tetsa River Lodge
Art: Campingplatz
Preis: 20 CAD
Annehmlichkeiten: saubere Toiletten, warme Duschen, Strom und Wasser am Platz Sonstiges: sehr schöner Platz mitten im Wald, es gibt selbstgebackenes Brot und Zimtrollen
Koordinaten: 58.65243, -124.23582

Ort: Nugget City
Art: Campingplatz
Preis: 40 CAD
Annehmlichkeiten: saubere Toiletten, warme Duschen, coin laundry, Wifi
Sonstiges: guter Platz am Alaska Highway
Koordinaten: 60.028366, -129.082686

Ort: Whitehorse
Art: Bed & Breakfast
Preis: 125 CAD für ein DZ mit eigenem Bad inkl. Frühstück (-10% ab 3 Nächte) Annehmlichkeiten: Wifi, gemütliches Wohnzimmer, Terrasse
Sonstiges: Lene ist eine sehr herzliche Gastgeberin
Link: https://www.ascandia.ca

Ort: Koidern
Art: Campingplatz
Preis: 30 CAD
Annehmlichkeiten: saubere Toiletten, warme Duschen, Strom Sonstiges: sehr gepflegter Platz direkt am Alaska Highway
Koordinaten: 61.985681, -140.5447

3 Gedanken zu “Auf dem Alaska Highway durch den hohen Norden Kanadas

  1. Hallo ihr zwei das Ende naht vielen dank für die schönen Bilder und tollen Berichte so bin ich virtuell mit euch mit gereist passt ja auf bei der Verschiffung des Dulli last keine für euch wichtige Dinge im Fahrzeug. War selber vor einigen Jahren in Canada und Alaska, mich haben diese Länder sehr beeindruckt, das einfache und karge leben der Bewohner und diese Wildnis. Bin selber noch in Calabrien unter Wegs. Liebe grüße Heinz🌎☺👍

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  2. Lieber Heinz,
    Danke, dass du unsere Reise so intensiv verfolgst!! Wir haben noch ein paar Wochen in Kanada vor uns, das Land hat uns bisher auch sehr beeindruckt. Wir verschiffen dieses Mal im Container, da sollte nichts schief gehen.
    Viel Spaß in Calabrien
    Ali & Malte

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  3. Wieder mal ein sehr schöner Bericht mit beeindruckenden Bildern. So schöne Erlebnisse!! Noch ein gute Weiterreise und HEIMreise.

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